Eindrücke aus dem postkolonialen Gebäuderundgang „Echos unter der Weltkuppel“

Letzten Monat hatten wir im Rahmen meiner Wahlkreisveranstaltung das große Vergnügen gemeinsam mit Hannimari Jokinen vom Arbeitskreis Hamburg Postkolonial einen postkolonialen Rundgang auf dem Unigelände zu veranstalten. Dass dieses wichtige Thema auf so viel Interesse gestoßen ist hat uns wirklich sehr gefreut: Der Andrang war sogar so groß, dass wir am Ende leider nicht alle Anmeldungen berücksichtigen konnten und uns bereits überlegen, die Veranstaltung nochmals anzubieten.

Da der Rundgang auch für mich sehr lehrreich war und ich viel Neues über die Kolonialgeschichte der Uni Hamburg lernen durfte, möchte ich auch Euch gerne ein bisschen darüber erzählen:

Vor Gründung der Universität Hamburg 1919 befand sich im Hauptgebäude der heutigen Universität das Hamburgische Kolonialinstitut. Dort sollte die wirtschaftliche und wissenschaftliche Expertise des deutschen Kolonialismus gebündelt werden, und Kolonialoffiziere, Kaufleute und Missionare bildeten sich dort weiter.

Der Gründervater Werner von Melle, Hamburger Senator und Initiator des Kolonialinstituts und der Universität, sagte dazu bei der Eröffnungsfeier des Kolonialinstituts am 20. Oktober 1908:

„… an keinem anderen Platze gibt es eine so große Anzahl von Männern, die unsere Kolonien und andere Gebiete über See aus jahrelanger eigener Anschauung kennen. … Möge das Hamburgische Kolonialinstitut … allezeit segensreich wirken zum Wohle des gesamten deutschen Reiches, zur Ehre Hamburgs, zur Förderung der Wissenschaft, wie der praktischen Arbeit über See! Mit diesem Wunsch erkläre ich im Namen des Senats das Hamburgische Kolonialinstitut für eröffnet.“

Auch heute lernen Studierende in diesem Gebäude – ohne dass die meisten die Geschichte des Ortes kennen. Mit Hannimari Jokinen vom Arbeitskreis Hamburg Postkolonial sind wir in genau diese Geschichte eingetaucht: In einem performativen Rundgang mit elf szenischen Stationen inklusive Zitaten kolonialer Eroberer haben wir gemeinsam das Gedächtnisecho jener gehört, die kolonisiert, abgewiesen und vertrieben wurden.

Wir haben bspw. über die antiimperialen Proteste der Studierenden der 1960er Jahre gesprochen und über den Sturz des Denkmals von Hermann von Wissmann 1967/1968 erfahren, der als brutaler Kolonialgouverneur an der Expansion der Kolonie “Deutsch-Ostafrika“ maßgeblich beteiligt war. Zu seiner Zeit noch als Reichskommissar riet er zum „Angriff auf eine afrikanische Siedlung“:

„In Ostafrika sind die meisten Dörfer befestigt, … [Da gilt] die Möglichkeit, Trinkwasser abzuschneiden oder den Feind durch Anzünden der engstehenden, mit Grasdächern versehenen Hütten… herauszutreiben… Da … die Granaten des Schnellfeuer-Geschützes zum Zünden nicht ausreichten, [nutzten wir…] mit Erdöl angefüllte Fischblasen zur Sprengmasse… Da man ein befestigtes Dorf nach der Einnahme meist niederzubrennen hat, ist aus praktischen Gründen stets eine Plünderung geboten.“

Der ikonische Sturz des Wissmann-Denkmals war in Hamburg ein Höhepunkt studentischer Auflehnung gegen das koloniale Vergessen an der Universität. Während der AStA 1969 das Buch „Das permanente Kolonialinstitut“ veröffentlichte, sind die kolonialen Kontinuitäten aber auch heute noch überall an und in den Gebäuden der Universität sichtbar: Über Büsten von Lehrenden der ersten Stunde am Kolonialinstitut bis hin zu Tafeln mit Namen von „Mitbegründern und Hauptförderern der Hamburger wissenschaftlichen Stiftung“, also einflussreichen Kolonialkaufleuten, die sich auf dem Rücken der Kolonisierten ein ganzes Imperium schufen.

Uns drängte sich die Frage auf, warum all diese Abbilder der kolonialen Ausbeuter nach wie vor einen Platz im Gebäude der Universität Hamburg finden. Sollte man die Denkmäler nicht viel eher kritisch kommentieren oder ersetzen durch Zeugnisse jener Kolonisierten, die als „Sprachgehilf*innen“ am Kolonialinstitut arbeiteten, oder jener, die in den deutschen Kolonien Widerstand leisteten? Der historische Bezug und das historische Gedächtnis blieben so jedenfalls erhalten.

Ich selbst nehme aus dem Rundgang viele Impulse für meine politische Arbeit mit. Im gemeinsamen Austausch mit der Universität werden wir daran arbeiten, dass die kolonialen Spuren sichtbarer gemacht werden und stärker in das Bewusstsein der Universität fließen.

Für alle, die sich mehr mit dem Thema auseinandersetzen möchten, gibt es auf der Seite des Arbeitskreis Hamburg Postkolonial (http://www.afrika-hamburg.de/echos.html) weiterführende Infos.

Gerne könnt ihr Euch bei Fragen auch direkt an mich wenden.

Einen großen Dank an Hannimari Jokinen für ihren Einsatz und ihre Expertise!

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